Klaudia Stöckl - SOUL // NATURE - online solo exhibition - 02.05.2021

Fotocredit: Photo courtesy of Art Collection Schlichtner und Klaudia Stöckl © Bildrecht Wien 2021

Klaudia Stöckl - SOUL // NATURE - online solo exhibition

Von der Linie und der Natur 

Gedanken zum Werk von Klaudia Stöckl

Text: Dr.in Elisabeth Voggeneder

 

Wieder duftet der Wald. Es heben die schwebenden Lerchen mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war; (…). Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz in die glänzenden Knospen der Reiser. (Rainer Maria Rilke, Aus einem April)

 

Zart, fein und solitär, kräftig, bewegt und aggressiv, monochrom, still und gestisch; auf weiß modulierten Flächen tänzeln lineare Rhythmen, Linien balancieren im Farbraum, reiben sich an Farbschichten, verdichten sich in satten Schraffuren, oder lösen sich kaum wahrnehmbar in der Leere auf; wenngleich die linearen Formationen Klaudia Stöckls abstrakt erscheinen, so ist doch die Natur der Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Von der Beschäftigung mit der Landschaft kommend, entwickelte Klaudia Stöckl eine  malerische Sichtweise, die das Nachempfinden der Natur ins Bildliche transponiert.

Am Anfang ihres Werkes – sie begann 1997 autodidaktisch mit der Malerei und nahm später bei Karl Korab, Giselbert Hoke und Dietmar Brehm Unterricht – ­ stand eine feine Aquarellmalerei, deren Bezüge zum Gesehenen aufrecht blieben, wie bei den Blättern zu den Landschaften rund um Eggenburg. Bald aber übersetzte Kaudia Stöckl den Natureindruck in ein Stimmungsbild von abstrakter Qualität. Sie begann im Jahr 2000 mit abstrahierten Landschaftsinterpretationen. Die Struktur, die Farbe und die Kontur landschaftlicher Impressionen wirken von da an Impuls gebend für ihre Malerei, die dem Wie der Landschaft nachspürt.

Die im Mostviertel lebende Künstlerin schöpft dabei aus ihrer unmittelbaren Umgebung, die hügelig- weiche und weite Landschaft von wechselndem Farbspiel gibt immer wieder Anlass für eine Beobachtung der Natur und ihrer Erscheinungsformen, aber auch zahlreiche Besuche im Wein- und Waldviertel und ihre kontinuierlichen Reisen regen sie zu  einer Auseinandersetzung mit der Natur an.

So entwickelte Klaudia Stöckl in den letzten fünf Jahren einen umfangreichen Werkblock zum Thema Natur und Landschaft im weitesten Sinne –  in Grafik und Malerei ausgeführt ­–  bei dem sie ihre Bildsprache ausformulierte und zusehends differenzierte.  Sie bevorzugt das quadratische mittlere Format, wobei sie gerne auf Papier arbeitet, dass sie abschließend auf Leinwand kaschiert, verwendet reine, körnige Pigmente von intensiver Farbwirkung und reduziert ihre Farbpalette auf wenige Töne: Weiß, Schwarz, Braun, Ocker und Rot. Farbschicht um Farbschicht  werden übereinander gelegt und rufen eine räumliche Farbtiefe hervor, die durch subtile Übergänge und feine Schattierungen besticht. Das bewusste Fließen Lassen der Farben und Ineinander der Farblagen –, das sie aus dem Aquarellmalen beibehält – provoziert eine brüchige Dreidimensionalität von deutlich haptischer Ausprägung. Eruptiv und dynamisch platziert sie darauf Liniengebilde von ausdruckstarker Handschrift gekennzeichnet, kratzt und ritzt kraftvolle Spuren in den Farbkörper ein.

Klaudia Stöckls Vorgehensweise erhält gerade durch die Konzentration auf wenige formale Aspekte eine orchestrale Vielstimmigkeit. Die Reduktion des Kolorits steht im Dialog zur Leuchtkraft der Farbe, die ruhige Bildanlage bildet einen Kontrapunkt zur Bewegtheit der Lineatur. Linie, Form und Raum bilden ein subtiles Gefüge. 

Bei der zwischen 2007 und 2009 entstehenden Werkgruppe „Terra Incognita“, die über dreißig Gemälde umfasst, erreicht die Malerin einen Höhepunkt dieses Weges. Der Dreiklang Braun, Ocker und Schwarz fächert sich in einem nuancenreichen Spektrum zu einem sensiblen Farbenspiel auf. Kontrastreich und doch harmonisch stehen Farbblöcke zu Leerflächen, tummeln sich organische Formen und Fragmente in der abstrakten Ebene. Das Dunkel eines schattigen Waldes wird ebenso als Bezugsbild visualisiert, wie der knorrige Ast eines Birnbaumes oder der vertrocknete Rebstock auf den Hügeln. Zentral für diese Arbeiten ist aber die Transformation der Naturempfindung in eine Zustandsbeschreibung. Helle, Stille, Ruhe, Weite und Dunkelheit bilden die auslösenden Erfahrungswerte und wiederholen sich im Erleben der Landschaftsabstraktionen.

Mit dem Gemälde „An einem Fluss“ aus dem Jahr 2010 eröffnet sich Klaudia Stöckl einen weiteren Assoziationsraum. Das Sitzen an einem Fluss, erzählt die Künstlerin, der meditative Aspekt des schweifenden Blickes, habe sie zu einer neuen Werkreihe angeregt, die das Kontemplative deutlicher ins Auge rückt.[1] Die Serie der Meditationsbilder entsteht aus dieser Idee heraus im Sommer 2010. 

Anders als bei den landschaftlich inspirierten Werken rückt Klaudia Stöckl nun die Empfindung als Idee noch deutlicher in den Mittelpunkt ihrer Malerei. Kein gesehener Eindruck, sondern eine abstrakte Vorstellung des Seinszustandes verbildlicht sich zur Form. Strich um Strich reiht sich in kontrollierten Serien vertikal aneinander. Die Wiederholung, die hier einem Muster gleich zu einer verwobenen Struktur führt, verweist auf das gedankliche Prinzip der meditativen Praktik. Die Emotion äußert sich nicht als explosiver Akt; übt jetzt vielmehr sensible Zurückhaltung.

Interessant erscheint, dass auf diese Weise auch ein weiterer Darstellungsmodus Einzug in die Arbeitsweise der Künstlerin findet. Waren die landschaftlichen Werkserien eher an der gestischen Malerei informeller Prägung orientiert, so gewinnt bei der Reihe der Meditationen die Kontrolle und das Kalkül an Bedeutung. Die Bildsprache erscheint nun minimalistisch und folgt einer objektivierten Vorgehensweise, die das Handschriftliche  weitgehend verringert. Hier schließt sich der Kreis zu den unbetitelten Werken der 2000er Jahre, die das Zeichen als abstrakte Form isolieren und in kachelartigen Übereinander zur abstrakten Zeichensprache verwandeln.

Klaudia Stöckl setzt damit die Linie in unterschiedlichsten Spielarten ein, erschließt  deren divergente Möglichkeiten und Zusammenhänge und bildet einen Spannungsbogen, der von einem subjektiv- tachistischen bis zu einer konkret- konzeptiven Ansatz reicht. Dadurch erreicht sie eine besondere Vielfalt und Dichte des Ausdrucks.

So steht ihr Werk – auch in seiner Auslotung der Stille – ganz in der Tradition expressiver Gestaltung, wie sie in Österreich mit Landschaften eines Egon Schiele begonnen hatte, verweist aber auch auf Max Weilers Werk- Naturrelation, sowie auf postmoderne Positionen lyrischer Naturabstraktion. Das konkrete Erleben wandelt sich wie in Rilkes poetischer  Darstellung zu einem Naturbild des Kontemplativen.

[1] Stöckl Klaudia im Gespräch mit der Autorin am 19. April 2011