Monika Böhme-Sauter and Art Collection Schlichtner - Interview - 25.11.2020

Fotocredit: Photo courtesy of Monika Böhme-Sauter

Interview 25.11.2020 mit Monika Böhme-Sauter und Andreas Schlichtner

Andreas: „Hallo Monika, wie hat Deine künstlerische Laufbahn begonnen? Waren Deine Eltern Künstler oder Sammler? Hat Dich jemand aus der Familie beeinflusst?“

Monika: „Hier gibt es auf jeden Fall eine Beeinflussung! Meine Eltern sind zwar beide nicht ausgebildete Künstler, mein Vater hat sich aber immer schon der Kunst gewidmet und auch Kunst gesammelt und hat mich in sämtliche Ateliers mitgenommen. Da ist es öfters zwei, drei Uhr in der Früh geworden, und ich hab als kleines Kind irgendwo einen Platz im Atelier zum Schlafen bekommen. Das hat mir oft nicht so gefallen, aber die Atmosphäre dort hat mich sicher beeinflusst. Dann sind wir oft nach Paris und in Museen gegangen und ich habe vom Louvre bis zum Musée D´Orsay alles gesehen. Das war ein Einfluss. Der Vater hat immer gemalt. Das habe ich auch gesehen, wie der Vater da tätig war und ich habe die Ölfarben gerochen. Und der Bruder meines Vaters, der leider schon mit vierzehn Jahren verstorben ist, war ein ganz talentierter Zeichner. Ich habe noch ein Büchlein, in dem Zeichnungen von ihm sind, die er mit dreizehn Jahren gemacht hat. Das kannst Du Dir nicht vorstellen, Andreas! Ich übertreibe jetzt nicht! Und ein Cousin von mir, der in Wien lebt, malt sehr viel. Das war jetzt meine Prägung und ich habe selber von Kind an gemalt. Ich weiß nicht, ob das interessant ist, aber das war sehr farbenprächtig und da habe ich auch zwei Ausstellungen gehabt und auch etwas verkauft. Ich habe damals vergrößerte Fotos auf eine Platte affichiert und dann darauf gemalt. Und mein Vater hat dann spät aus familiären Gründen den Job wechseln müssen, das war schwierig, und er hat  dann ein Bild von mir in seinem Büro hängen gehabt und das wollten einige kaufen.“

Andreas: „Hast Du damals neben Deinem familiären Umfeld auch andere Vorbilder gehabt?“

Monika: „Zu der Zeit, wo ich so farbig gemalt hab, habe ich überhaupt keine Vorbilder gehabt. Aber als ich dann Kunstgeschichte studierte, hat mich Albrecht Dürer extrem gefesselt. Das hat aber nichts mit meiner Kunst zu tun.“

Andreas: „Also Du hast beschlossen, Kunstgeschichte zu studieren?“

Monika: „Ich bin an die Universität für Angewandte Kunst in Wien gegangen und habe mich erfolglos beworben. Sie haben gesagt, ich soll nach einem Jahr wieder kommen und ein paar Sachen in meiner Kunst ändern. Die Farben haben ihnen aber gut gefallen. Aber ich wollte den Eltern nicht noch ein Jahr zur Last fallen. Ich habe dann das Vorlesungsverzeichnis durchgeblättert und mein damaliger Freund hat mich gefragt, was denn mit Kunstgeschichte sei. Und er ist dann nach Graz gegangen und daraus ist mein Kunstgeschichtestudium in Graz geworden.“

Andreas: „Und hier war Albrecht Dürer das große Aha-Erlebnis.“

Monika: „Ja genau. Auch die Holzschnitte und Porträts. Das habe ich nachhaltig in Erinnerung. Und durch die Vorlesung „Kunst im öffentlichen Raum“ hat es mich immer mehr zum Zeitgenössischen gezogen, ganz klar. Auch durch die Ausstellungen in Vorarlberg oder in Liechtenstein bin ich weiter mit zeitgenössischer Kunst in Berührung gekommen. Ich habe hier gute Ausstellungen gesehen, z.B. von Jannis Kounellis. Da bin ich darauf gekommen, ja, das fesselt mich. Da habe ich Nähmaschinen mit Patina gesehen, das geht in die Richtung, wie ich jetzt fotografiere. Dann war eine Exkursion nach New York, da habe ich dann das Referat gehalten über Max Beckmann und sein Triptychon „Die Abfahrt“. Dann war ich im Guggenheim Soho und habe Tapies gesehen. Und der hat mich total gefesselt. Den habe ich noch einmal in Barcelona gesehen und das hat mich wahnsinnig begeistert. Er hat Säcke und Jute an das Bild affichiert.“

Andreas: „Und hast du damals auch Kunst gemacht, als Du Kunstgeschichte studiert hast?“

Monika: „Doch. Ich habe nach der Trennung von meinem Freund ein Jahr durchgemalt. Viele kleinformatige Bilder. Aber dann habe ich Pause gemacht. Dann habe ich etwas in der Richtung von Tapies gemacht. Da ist dann die Farbe gewichen.“

Andreas: „Was hat dich dabei fasziniert? Und wie hast Du Dich weiter entwickelt? Wie sieht Deine Kunst aus, die Du heute machst? Wo bist du jetzt angelangt?“

Monika: „Also fasziniert hat mich von da an Material, Struktur und Oberfläche. In meiner Diplomarbeit über Tone Fink habe ich das auch als Untertitel gehabt. Weil er genauso die Papieroberflächen bearbeitet hat, die zum Teil aufgerissen hat.  Mit einem spitzen Bleistift, Gekritzel hat er es genannt, hat er die Papieroberfläche attackiert. Und das hat mich fasziniert. Von da an hat mich Material, Struktur, Oberfläche fasziniert. Das begann sogar schon früher als mein Vater Vitra Fiberglasmöbel verkaufte. Die Struktur, das war mein Thema. Und das war auch bei Tapies so. Er hat nicht eine glatte Oberfläche. Und von da an habe ich dann mit der langen Pause von zehn Jahren wieder angefangen. Und jetzt in der Corona-Zeit habe ich plötzlich gedacht, ich fange wieder an. Ich habe das Transparentpapier für mich entdeckt, weil das eine anderen Wirkung hat, je nach dem wo es liegt oder hängt, am Boden, an der Wand, vor dem Fenster. Das hat mich wahnsinnig fasziniert. Auch weil sich Transparentpapier wieder verändert, wenn es nass oder wird oder die Farbe einzieht, dann wird es wellig und bekommt eine Struktur. Das ist ein Teil der Kunst, die ich jetzt mache und dann kamen die Oberflächen. Ich habe diese Container entdeckt. Ich habe mir gedacht: ich fotografiere das einfach jetzt. Ich habe gemerkt, aha, wenn ich es im Detail heraushole, bekommt es noch mehr Aussagekraft als im Ganzen. Und da habe ich die Farbigkeit voll drinnen, aber in der Malerei gar nicht. Fotografieren hat mich immer schon interessiert, da habe ich auch überlegt, es zu studieren. Und dann interessieren mich die verschiedenen Oberflächen wie Kunststofffolien, Jute. Und jetzt habe ich die Fotografie entdeckt. Und dann möchte ich in die Fotos hineinmalen.“

Andreas: „Ich finde zwei Aspekte hier interessant. Ersten die Corona-Zeit, weil die bei einigen Künstlern einiges bewirkt hat.  Sie  haben angefangen, so richtig aktiv zu werden. Und sie benutzen verstärkt die sozialen Medien.“

Monika: „Ja das kommt jetzt dazu!“

Andreas: „Und Du hast Dir sicher gedacht, dass ist ein super Medium, um es online zu stellen und zu verbreiten!“

 Monika: „So war es. Ich bin unter einem großen Strommasten gestanden und da habe ich mir gedacht, da muss ich jetzt darunter stehen. Ich habe zu meiner Begleitung gesagt, entschuldige, ich muss jetzt in das Feld gehen und von unten den Strommasten fotografieren. Und das waren die ersten Fotos, die ich reingestellt habe. Und da haben die Leute irrsinnig darauf reagiert. Denen habe ich eine Freude gemacht. Instagram hat mir gefallen, ich habe es reingestellt und Erfolg gehabt. Dann bin ich auf Deine Seite glücklicherweise gestoßen. Dann habe ich auch durch die Anerkennung und wegen der Kommentare vermehrt angefangen, zu fotografieren. Und so ist die Phase gekommen mit der Fotografie und den Oberflächen.“

 Andreas: „Ja, diesen Aspekt find ich auch spannend. Dass man auf einem zweidimensionalen Foto mehrdimensionale und reliefartige Oberflächen festhalten kann. Das ist ja nicht so einfach, oder? Du zeigst ja nicht nur den Ausschnitt sondern in der Serie auch das Ganze. Natürlich wäre es auch spannend, nur immer den Ausschnitt zu zeigen, dann wäre das Geheimnis noch etwas größer.“

Monika: „Mich interessieren die Oberflächen, wo sich Stellen übereinanderlappen. Ich fotografiere generell frontal, dann von der Seite, dann ganz von der Seite oder von ganz unten nach ganz oben.“

 

Andreas: „Wenn man ganz reinzoomt bekommt man den Effekt eines gemalten Bildes. Aber es geht dabei auch etwas verloren, man weis nicht von wo es stammt, und das ist ja auch interessant zu wissen und was es für ein Objekt ist, ob es verfallen ist und sich verändert hat. Die Veränderung möchtest Du festhalten!“

Monika: „Das ist schon wichtig. Ich möchte nicht nur die Details zeigen, sondern auch das Ganze. Zur Oberfläche fällt mir noch etwas ein: ein Einfluss den ich aus meiner Kindheit habe. Das Elternhaus ist auf römischen Grund und am Nebengrund wurde eine Schule gebaut. Dort habe ich dann als Kind beim Graben römische Funde gemacht. Da habe ich dann Münzen gefunden, die mit der Patina waren, ganz Türkis. Und von da kommt, glaube ich, auch die Liebe zur Oberfläche. Andere Kinder haben sich auch über die Münzen gefreut aber mich hat vor allem die Oberfläche gefallen. Das hat mir immer schon etwas gesagt. Da war ich so sechs Jahre alt.“

Andreas: „Da sehe ich eine Parallele zu Deiner Vorgehensweise heute. Du hast die Münzen entdeckt, so wie Du Deine Fotomotive heute auf alten Industriegeländen findest. Du gehst auf Entdeckungsreise. Dann untersuchst Du und fängst etwas ein und hältst es fest. Die verrosteten Stellen interessieren Dich immer noch so wie damals die patinierten Münzen.“

Monika: „Die Natur, die das so bearbeitet hat, ist faszinierend. Und da gefällt mir auch die Farbigkeit wieder. Die Naturfarben und was die Natur aus den Grundfarben der Objekte macht.“

Andreas: „Sehr spannend. Liebe Monika, ich danke Dir für das Interview!“